Teil 3: Halbendorf - Warschau (16.-22.Tag)


Tag 16: Über die grüne Grenze nach Polen

Halbendorf - Nowa Sol

104km/470Hm

Single Trail nach Polen
Single Trail nach Polen

Der  heutige Tag war regnerisch, so dass ich nicht viele Bilder gemacht habe. 

Nach wenigen Kilometern in Bad Muskau führte mich der Weg durch einen wunderschönen Park. Der Weg wurde immer schlechter, teils sehr sandig, teils mit vielen Schlaglöchern und Wurzeln. Plötzlich stellte ich fest, dass die Anschriften nur noch Polnisch waren.  Ich hatte also irgendwo in diesem Wald die Grenze überschritten. Der restliche Tag ist bald erzählt, es rieselte leicht und der Weg führte mich entweder durch schlechte Waldwege oder auf stark befahrenen Strassen mit vielen Lastwagen. Erst die letzten 20 Kilometer war wieder ein schöner Veloweg.

Im Gegensatz zu Deutschland hat es viele auch kleine Lebensmittelläden. Dafür habe ich fast keine Bank zum Geldwechseln gefunden. Viele Einheimische können offensichtlich nur Polnisch (vielleicht Russisch ?). Mit Englisch ist es schwieriger, ein ATM kannte niemand, dabei wär es so einfach gewesen,  die Dinger heissen auf Polnisch einfach Bankomat 😄


Tag 17: Wechsel der Gefühle

Nowa Sol - Grodzisk Wielkopolski

81km / 290 Hm

Blick auf die Oder
Blick auf die Oder

Zu meiner Überraschung ging es so weiter wie es gestern aufgehört hat. Ein wunderschöner Veloweg, ein altes Eisenbahntrasse, führte abwechselnd durch den Wald und durch riesige Kornfelder. Über die Oder führt der Veloweg über eine 150m lange Brücke nur für Fahrradfahrer. So ging es 30km flott voran. In den kleinen Dörfern waren die Bahnhöfe noch angeschrieben und kleine Wege, die den Radweg kreuzten, hatten oft noch das Zeichen für einen ungesicherten Bahnübergang. 

Nach 30km hörte der Radweg mitten in einem Wald auf. Das Navi führte mich dann kreuz und quer durch den Wald. Alles auf Sandpisten, auf denen man kaum vorwärts kam und meist stossen musste.  Zudem begann es auch noch zu regnen. Klitschnass habe ich mir dann ein Motel genommen,  obwohl ich eigentlich gerne noch etwas weiter gefahren wäre, um mehr Zeit für einen Abstecher nach Posen zu haben.

Im Augenblick habe ich drei technische Probleme. Zum einen knackt es gelegentlich beim Antrieb. Ich weiss nicht, was es ist, vermute aber der viele Sand steckt irgendwo im Getriebe. Ich habe die Velomechanikerin meines Vertrauens bereits angeschrieben und um ihre Meinung gebeten. Zum zweiten ist wahrscheinlich mein Veloständer verkrümmt oder angebrochen. Als ich das Velo vor einem Imbiss stehen hatte, hat ein Windstoss eine grosse Blumenkiste umgeworfen, die auf mein Velo fiel. Wahrscheinlich ist es dort passiert.

Das dritte ist, ich habe meine vorderen Velotaschen mit einem Schloss gesichert. Das eine Schloss lässt sich nicht mehr öffnen, obwohl ich bei allen Schlössern den gleichen Zahlencode habe. Das Problem muss ich spätestens für den Rückflug gelöst haben.


Tag 18: Eine schöne Stadt

Grodzisk Wielkopolski - Poznan

56km / 220Hm

Poznan - Posen
Poznan - Posen

Die Fahrt nach Poznan (Posen) war nicht sehr angenehm.  Entweder fuhr ich auf holprigen Velowegen entlang stark befahrener Strassen, oder,  weil der Veloweg plötzlich aufhörte, ging es auf stark befahrenen Strassen weiter. Lastwagen nach Lastwagen fuhr an mir vorbei. Einmal hatte ich gar das Gefühl auf einer Autobahn zu fahren.

Der Umweg nach Posen hat sich aber gelohnt. Posen ist eine schöne Stadt mit vielen historischen Bauten. Auch hat es eine wundervolle Kathedrale. Eigentlich wollte ich noch 40km weiterfahren,  aber ich entschied mich kurzfristig einen Abend hier zu verbringen. 

Beim Abendessen habe ich auch etwas vom polnischen Wahlkampf mitbekommen. Sympathisanten der beiden Kontrahenten um das Präsidentenamt haben Stimmung gemacht. Es blieb aber friedlich. Auf dem Land sieht man vor allem Plakate von Duda.


Tag 19: Alarm und Schüsse

Posen - Zagorow

88 Km / 240 Hm

Marien Verehrung, wie man sie oft am Strassenrand sieht
Marien Verehrung, wie man sie oft am Strassenrand sieht

Aus Posen heraus zu kommen war schwierig,  immer wieder habe ich mich verfahren. Nachher ging es vorerst zügig über Buckelpisten weiter. Dann führte der Weg durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet, ein für die Störche paradiesisches Feuchtgebiet. Der Weg führte weniger paradiesisch über einen Damm, der total überwachsen war. Das Vorwärtskommen war sehr mühsam.  Aber was jammere ich, als der Damm aufhörte, begann eine Sandpiste. Selbst stossen wurde zur Qual. Aber alle Müh hat mal ein Ende. Nachher ging es flott über die Buckelpisten weiter. Plötzlich hörte ich eine Sirene. Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht einem eingehegten Feld zu nahe gekommen bin.  Dann aber folgten Schüsse.....

Später gab es auch Schüsse von anderen Feldern.  Später habe ich realisiert, dass es hier viele Kirschen gibt, die Bäume waren eingezäunt und die Sirenen und Schüsse dürften von einem Tonband aus gegen die Staren gerichtet sein. Bei einer Hostet kreiste gar ein fiktiver Raubvogel.

In einem kleinen Ort habe ich in einem Reiterhof eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden.


Tag 20: Polen ist katholisch

Zagorow - Topola Krotewska

110 Km / 330 Hm

Mein Mittagspauseplatz
Mein Mittagspauseplatz

Durch Hundegebell und Schüsse wurde ich bereits am Morgen geweckt.  Da es im Reiterhof kein Frühstück gab,  bin ich zeitig  los. Ich hatte auch eine grosse Etappe vor mir. Ich kam, dank relativ guter Strassen, gut voran. Als mich mein Navi wieder auf einen Damm schicken wollte, habe ich mich geweigert und bin einen Umweg gefahren. Auf dem Weg bin ich an zwei Kirchen vorbeigefahren,  über Lautsprecher wurde in der einen gerade die Predigt in der anderen das Gloria nach Draussen übertragen.  Draussen standen die Leute herum. Ich fragte mich,  ob die Kirchen zu klein sind. Die Antwort gab es am Abend im Hotel. Im Restaurant war alles reserviert für Familienfeste, ich glaube es war Firmung. Die Serviertochter erbarmte sich meiner,  und ich bekam doch noch etwas zu Essen. 

Meine Mechanikerin hat mir übrigens geschrieben. Sie meint es könnten die Pedale sein. Ich habe sie jetzt geschmiert und es scheint,  dass das Knacken weniger geworden ist. Eventuell werde ich mir in Warschau neue Pedale besorgen. 


Tag 21: anders als geplant

Topola - Warschau

150 Km / 350 Hm

Was ist das?
Was ist das?

Der Start war heute nicht vielversprechend,  ohne Frühstück kam gleich eine 1 Kilometer lange Baustelle mit einer Ampel. Ich habe folgende Taktik gewählt, da nur eine schmale Spur vorhanden war: ich habe gewartet bis die Ampel Rot zeigte, da sehr viele Autos vor der Ampel warteten. Dann bin ich losgefahren bis mir die ersten Autos entgegen kamen,  habe dann gewartet,  bis keine Autos mehr kamen und bin dann weitergefahren.

Kurze Zeit später, als ich von der Hauptstrasse abbog, sah ich die Häuserreihe auf dem obigen Bild. Drei riedgedeckte Häuser und eine alte Mühle, eine Art klein Ballenberg. Ich machte ein paar Fotos und näherte mich den Häusern. Vor dem Areal war eine Tafel mit Erklärungen, leider nur auf Polnisch. Es waren irgendwelche Zeiten angegeben, die ich als Öffnungszeiten interpretierte. Nach diesen Zeiten wäre das Areal jetzt geöffnet gewesen. Plötzlich kam eine Frau auf mich zu und gab mir (auf Polnisch und mit Gesten) unmissverständlich zu verstehen,  dass ich keine Aufnahmen machen darf und dass ich nicht aufs Areal darf.

In einem Ort war wieder eine Messe, die ins Freie übertragen wurde, und das an einem Montag! Auch hier muss ein spezieller Anlass gewesen sein. Im Ort waren sicherlich gegen 100 Marktstände. Alles war um 10 Uhr morgens bis auf die Verkäufer wie ausgestorben. Alles schien auf etwas zu warten.  Es gab zwei Arten von Ständen, ein paar wenige mit Süssigkeiten und die grosse Mehrzahl mit Spielzeug, richtiger Plastikplunder. Alles nur für Kinder.

Bei nur kurzen Abschnitten mit schlechten Strassen ging es zügig teils durch eine wunderschöne Auenlandschaften voran. Auch sieht man jetzt vermehrt Gemüseanbau, vor allem wird viel Kohl angebaut.

Da ich bereits um 14 Uhr am Ort, den ich für diesen Tag als Etappenort ausgewählt hatte, angekommen bin, habe ich mich entschlossen noch etwas weiter zu fahren. Es ist hier in Polen sehr schwierig ausserhalb der Städte eine Unterkunft zu finden. Als ich 40km vor Warschau immer noch keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hatte, entschloss ich mich, bis Warschau durchzufahren. Um 21 Uhr, nach 150km, war es dann geschafft. 


Tag 22: Ruhetag in Warschau

Einige Km zu Fuss

Warschau ist eine moderne, quirlige Stadt. Im Westen hat es moderne Hochhäuser, deren Skyline es fast mit jener von Frankfurt oder Toronto aufnehmen kann. Im Zentrum findet man eine gut renovierte und teilweise nach dem Krieg wieder aufgebaute Altstadt und im Osten noch sowjetische Architektur.

Das Museum über den Warschauer Aufstand von 1944 war leider geschlossen. Dafür habe ich ein Museum über Marie Curie entdeckt und unter anderem gelernt,  dass sie in Warschau aufgewachsen ist und das radioaktive Element Polonium von ihr zu ehren Polens so genannten wurde.

Warschau ist sehr weitläufig und deshalb habe ich die U-Bahn genommen.  Leider gab es keine Tageskarten. Also löste ich eine Fahrt, alles kein Problem,  doch wie kommt man aus einer U-Bahnstation wieder hinaus? Das Drehkreuz verweigerte mein Billett.  Ich war schon am Verzweifeln, als mir jemand auf Englisch erklärte,  dass ich für das Hinausgehen kein Billett brauche 🤔😄.

Einen Billettschlitz hatte es aber!

Warschau präsentiert sich als eine wohlhabende Stadt.  Überhaupt sind viele Häuser auch auf dem Land renoviert und es wird viel gebaut. Häufig wirkliche Villen, immer umgeben von einem Zaun, meist zumindest auf der Frontseite schön geschmiedet.  Ich kam bisher nur durch wenige Dörfer, wo eine gewisse Armut festzustellen war und die Häuser nur aus Brettern bestanden. Dieses Wohlhabende gilt allerdings nicht für die Strassen, die sind zum Teil in einem fürchterlichen Zustand. In Sachsen habe ich eine ältere Frau getroffen, die mich vor den Polen gewarnt hatte, die würden stehlen, weil sie arm sind. Schon zu DDR-Zeiten sei ihr und ihrem Mann in Polen der Trabi gestohlen worden. Zumindest am Zustand der Häuser hat mir Sachsen einen ärmeren Eindruck gemacht als Polen.